linescape
installation mixed media 2016
intro
linescape, 2016, Courtesy Galerie Georg Kargl, Wien.
Herwig Turks Arbeit "linescape", die auf eine Revision der klischeebeladenen Rezeption der US-amerikanischen Land Art der 1960er und 1970er Jahre zielt, deren Historiographie bis auf den heutigen Tag dominiert wird von der Auseinandersetzung mit den monumentalen Earth Works von Künstlern wie Robert Smithson, Michael Heinzer oder Walter De Maria.
So konfrontiert er eine Ikone der Land Art, Robert Smithsons monumentale Erdskulptur Spiral Jetty, mit Fotografien, die dokumentieren, dass die Wüsten im Südwesten der USA, lange ehe die Land Art-Künstler diese für sich entdeckten, durch menschliche Eingriffe technologisch überformt wurden, wie durch den Abbau von Bodenschätzen oder deren Nutzung als militärisches Testgelände und Sperrgebiet durch das USamerikanische Militär.
installation
5 belichtete Siebdrucksiebe, 2 Documentprints auf Leinwand mit Holzstäben, Vitrine (Stahl, Holz, Glas), 3 Ausgaben des Magazins LIFE (24. September 1945, 12. Februar 1951, 5. Mai 1952); Siebdrucksiebe: 215 x 170 cm, Documentprints: je 109 x 155 cm, Vitrine: 96 x 227 x 54 cm
oben links:Landschaft = Labor, MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt/A 2016/17
foto: © Gebhard Sengmüller
oben rechts:
linescape, Georg Kargl Box, Wien/A 2016
foto: © Gebhard Sengmüller
mitte links
linescape - detail, Georg Kargl Box, Wien/A 2016
foto: © Peter Paulhart
mitte rechts
linescape - detail, Georg Kargl Box, Wien/A 2016
foto: © Herwig Turk
unten links:
linescape - detail, Georg Kargl Box, Wien/A 2016
foto: © Herwig Turk
unten rechts:
linescape, Georg Kargl Box, Wien/A 2016
foto: © Gebhard Sengmüller
text
Linescape 2016
In seiner speziell für die Georg Kargl BOX entwickelten Installation linescape widmet sich Herwig Turk einer Neubewertung der Entwicklungsgeschichte einer der radikalsten künstlerischen Konzepte der 60iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts: der amerikanischen Land Art. Im Unterschied zum Minimalismus, der um Objektivität bemüht war und hauptsächlich im Kontext der Galerien und Museen zu finden war, wurde die Land Art als eine romantische, aber eine explizit gesellschaftskritische künstlerische Bewegung gesehen.
Die Landschaft wurde nicht als attraktive Folie genutzt vor der Skulpturen platziert werden, die Landschaft selbst wurde zum Kunstwerk. Gefragt waren die großen Gesten. Mit schwerer Gerätschaft wurden radikale Eingriffe in die Landschaft vorgenommen und großflächige Anlagen von dauerhafter Form errichtet, deren Entwicklung und endgültige Umsetzung oft Jahrzehnte, manche bis zum heutigen Tag andauern. Zu einem der bekanntesten Werke der amerikanischen Land Art zählt Robert Smithsons Spiral Jetty im großen Salzsee von Utah, einer rund 500 Meter langen Spirale aus Steinen, Algen und Salz, die 1970 fertig gestellt werden konnte und bis heute - wenngleich durch Erosion verwittert - sichtbar ist.
Bis heute werden die Werke der Land Art Künstler in der Kunstgeschichte als gesellschaftskritisch gesehen, als künstlerische Äußerungen einer männerdominierten Gruppe, die sowohl von der weitläufigen amerikanischen Landschaft als sicherlich auch von der Aufbruchsstimmung einer Siegernation nach dem 2. Weltkrieg mit seinem überhöhten Selbstbewusstsein inspiriert waren. Meist wird jedoch nicht auf die Parallelen der Herangehensweise und Verwendungen der amerikanischen Wüstenlandschaft durch das amerikanischen Militär und der Land Art Künstler hingewiesen. Auf diesen vernachlässigten, wenngleich auch durchaus nachvollziehbaren Aspekt der Geschichte will Herwig Turk in seiner Installation am Beispiel von Robert Smithons Spiral Jetty aufmerksam machen und diesen zur Diskussion stellen.
Zwei wie Schulrolltafeln gestaltete Fotografien setzen sich über Eck gehängt zu einer 360 Grad Panoramaansicht der Spiral Jetty zusammen. Darüber schweben fünf Siebdrucksiebe mit Motiven von Zieleinrichtungen der US Army in den Sperrgebieten UTTR, die sich in örtlicher Nähe zum Salzsee in Utah befinden. In einer eleganten Vitrine werden zudem drei Life Magazine aus den Jahren zwischen 1945 und 1952 präsentiert, die eindrucksvoll belegen, in wieweit die zunächst geheimen Atombombenversuche Eingang in die amerikanische Populärkultur gefunden haben, um damit die militärische Stärke und Überlegenheit der amerikanischen Supermacht in der Zeit des Kalten Krieges massenmedial zu verbreiten. Die Wüste wurde gleichsam als Atomlabor stilisiert. Die amerikanischen Land Art Künstler verwendeten also keineswegs “unangetastete” Urlandschaften als ihre identitätsstiftenden Bühnen, vielmehr waren diese im Zuge der Atomwaffentests schon längst in den Massenmedien zur “Atomic Desert” mutiert. Herwig Turks Installation kann als Reflexion der in Massemedien verbreiteten Berichterstattung gelesen werden, die von immenser politischer, ökonomischer und ökologischer Bedeutung waren. Darüber macht Turk deutlich, dass selbst wissenschaftliche Geschichtsschreibung nach subjektiven, ideologischen Richtlinien interpretiert wird, stetigen Veränderungen unterworfen ist und sich stets neu konstruiert.
Text: Fiona Liewehr