inversum
zweikanal - videoinstallation, 2008
intro
“Herwig Turk zeigt in einer raumfüllenden Videoinstallation die Arbeit INVERSUM (2008), in deren visuellem Zentrum Zustände von Annäherung und Distanz in der öden Umgebung einer Salzwüste stehen. Gleichzeitig wird auch im Austellungsraum eine haptische Idee dieser Wüste durch mehrere Tonnen Salz vermittelt, die aus einem Beton- einen Wüstenboden generieren. Das Publikum stapft so durch strahlend weißes, weiches Salz zu den Projektionsflächen. Über diesen Weg wird auf interessante Weise die Aufmerksamkeit gebündelt und der skizzierte Wüstenraum emotional von den umliegenden Ausstellungsräumen getrennt. Das Publikum nähert sich also an, erlebt aber - ähnlich wie die gefilmte Figur in einem der beiden Videos, dass Annäherung nicht zwangsläufig zu Nähe führt.”
text
INVERSUM. The Salt of the Earth.
Herwig Turk zeigt in einer raumfüllenden Videoinstallation die Arbeit INVERSUM (2008), in deren visuellem Zentrum Zustände von Annäherung und Distanz in der öden Umgebung einer Salzwüste stehen. Gleichzeitig wird auch im Austellungsraum eine haptische Idee dieser Wüste durch mehrere Tonnen Salz vermittelt, die aus einem Beton- einen Wüstenboden generieren. Das Publikum stapft so durch strahlend weißes, weiches Salz zu den Projektionsflächen. Über diesen Weg wird auf interessante Weise die Aufmerksamkeit gebündelt und der skizzierte Wüstenraum emotional von den umliegenden Ausstellungsräumen getrennt. Das Publikum nähert sich also an, erlebt aber - ähnlich wie die gefilmte Figur in einem der beiden Videos, dass Annäherung nicht zwangsläufig zu Nähe führt.
Scheinbar aus dem Nichts taucht dann diese Figur in der linken Projektion am Horizont auf. Ihre Anwesenheit in der Einsamkeit lebensfeindlicher Umstände wird von einer zweiten Figur aus dem Off dokumentiert und bleibt ohne weitere Erklärung. Das nicht zu Erfassende soll offenbar festgehalten werden, doch die Präzision des Überblicks steht gegen die Unschärfe möglicher Nähe. Es scheint wie bei einer Fata Morgana. Je näher der Blick kommt, umso unwirklicher wird der ersehnte Zustand. Gleichzeitig wird die Stille der Landschaft spürbar. Die rechte Projektion fokussiert auf einen Gegenpol. Sie führt aus der Wüste wieder hinaus. Im Verlassen verschwindet die Unschärfe und die Natur bleibt für sich. Der Weg aus der Wüste kann aber nicht schnell genug gehen; es scheint, als würden die nicht mehr sichtbaren Figuren auf einem Schnellboot entkommen wollen und doch gibt es auch hier einen Moment der Stille: Die Bewegung aus der Wüste wird gegenläufig und der Blick fällt auf den Horizont zurück. Der Raumklang wird bestimmend und bildet mit ultrageschallten Herzschlägen die Essenz menschlichen Seins akustisch ab. Damit wird die Anwesenheit der Figuren im zweiten Video deutlich.
Die Wüste hinterlässt in ihrer scheinbaren Unendlichkeit Eindrücke von Leere und Fülle zugleich. Isolation in der Fremde, Sprachlosigkeit der Beziehungen und das Unfassbare des Augenblicks sind nur einige der Assoziationen, die in der Betrachtung auftauchen. Die Überlagerungen, Zeitraffungen und Gegenläufigkeiten, die Turk formal einsetzt, öffnen dabei den Blick und nehmen der Größe der behandelten Themen die Schwere. Herwig Turk ist mit INVERSUM ein wahrlich poetisches Werk über die räumliche wie menschliche Natur gelungen.
Ursula Hentschläger (2008)