tacit knowledge experiment 1& 2
installation mixed media 2011
intro
In den beiden Einkanal-Videoinstallationen “tacit knowledge experiment 1” und “tacit knowledge experiment 2” (2011) finden sich die Forscher/innen selbst als Teil einer Versuchsanordnung wieder: sie sind aufgefordert, mit ihren alltäglich vertrauten Laborobjekten neue Aufgaben zu erfüllen. Damit wird die konventionelle Anwendungslogik auf den Kopf gestellt und das Verhältnis von Routine vs. Unbekanntes in der Forschungspraxis angesprochen.
installation
oben links:
tacit knowledge experiment 2, 2011 Landschaft = Labor, MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt/A,
oben rechts:
value/order2011, Landschaft = Labor, MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt/A,
fotos: © Gebhard Sengmüller
alle anderen:
prototype #1, Installation am Molecular Medizinischen Institut, Lisbon / Portugal, 2011
fotos: © Herwig Turk
text
tacit knowledge experiments
Im Jahr 2010 begann H. Turk mit mehreren WissenschaftlerInnen (am Institut für Molekulare Medizin - IMM) in Lissabon an von ihm entwickelten Experimenten zu arbeiten. Er lud die WissenschaftlerInnen in ein Labor, wo sie alle notwendigen Gegenstände und Werkzeuge zur Durchführung einer Gel Polarisation finden konnten. Ein Gel Polarisation ist ein gewöhnlicher Arbeitsablauf, den die meisten WissenschaftlerInnen aus dem Gebiet der Life Sciences täglichen durchführen. Vor dem Experiment hatten die eingeladenen WissenschaftlerInnen keine genauen Informationen über den Ablauf des Experimentes außer, dass sie mit einem Künstler vor laufender Kamera arbeiten würden.
In Tacit Knowledge Experiment # 1 wurden die Wissenschaftler gebeten die Objekte auf den Tisch nach ihrem Gewicht zu ordnen. In diesem Experiment mussten sie körperliche Fähigkeiten „neu entdecken“ und eine Methodik entwickeln, um das Gewicht der einzelnen Objekte zu unterscheiden. Der Körper wurde zum Messinstrument und die Perspektive auf die Laborobjekte veränderte sich. Gläser, Pipetten, Kisten, Arrays, etc., wurden wieder als autonome Elemente wahrgenommen und nicht nur als funktionelle Einheiten. Alltägliche „unsichtbare” Objekte bekamen Gestalt und haptische Qualität, Gewicht und Umfang und wurden ganz anders gelesen als in der alltäglichen, routinierten und funktionellen Verwendungsart.
In Tacit Knowledge Experiment # 2 wurden die Wissenschaftler gebeten, mit den vorhandenen Laborgeräten einen Turm zu bauen. Er sollte so hoch wie möglich werden und alle auf dem Tisch vorhandenen Objekte integrieren. Die an sich kindlich anmutende Aufgabe, machte für die ForscherInnen eine radikale „Deformatierung” der Nutzungsgewohnheiten gegenüber den Objekten notwendig. Die Laborkonventionen mussten abgestreift und das Reglement neu entwickelt werden. Wieder veränderten sich die Qualitäten der „unsichtbaren” Objekte und sie bekamen eine andere Morphologie und Benutzungslogik. In dem Experiment spielten neben der intuitiven Geschicklichkeit und Körperbeherrschung auch Statik, Risikomanagement und die generelle Akzeptanz gestellter Aufgabe eine Rolle. Wer hält die Position des Experimentators, wer oder was wird zum Werkzeug und Instrument und was lässt sich in einem solchem “Setting” beobachten?
Die Dekontextualisierung der Objekte und die Dislozierung des Körpers (die Arbeiten wurden nicht im klassischen Labor durchgeführt), lässt das forschende Bemühen um Ordnung und Organisation der WissenschaftlerInnen in den Vordergrund treten. Ihre Körper sprechen durch ihr Tasten und Zögern. Darüber hinaus manifestieren sich Fragen rund um Gehorsam / Verweigerung, wenn die ForscherInnen keine Risiken mehr eingehen wollen, bleibt der Turm halb, wenn sie zuviel riskieren, fällt der Turm, und wer bezahlt dann das teure Equipment? Die ForscherInnen treten als Individuen in den Vordergrund und müssen jenseits der Routinen neue Systematiken entwickeln und die Laborobjekte redefinieren.